Der Ärmelkanal beginnt in der Nordsee... - Nordseefauna2016

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Der Ärmelkanal beginnt in der Nordsee...

 

Der Ärmelkanal in der Nordsee, ein erstaunlicher Faunenwandel!

...inzwischen sind einige Arten aus "Mediterranien" auch in der Nordsee angekommen. Je wärmer die Nordsee infolge mangelnden Klimaschutzes wird, desto mehr dieser wärmeliebenden Arten dürfen wir hier in der Zukunft erwarten. Manche davon - wie etwa Schwertfisch oder Wolfsbarsch - haben sehr beeindruckende Größen, während die Mehrheit eher unspektakulär klein ist. Schon seit rund 20 Jahren tummeln sich bunte Streifenbarben sogar schon in der Elbmündung. Weniger auffällig sind Arten wie etwa eine bis zu 7 Zentimeter lange Garnelenart aus der Gattung Processa (P. canaliculata), welche ein Fischer im Juli 2018 als Beifang anlandete. Je öfter solche Tiere gefangen werden und je länger sie in unseren Gewässern verweilen, desto nachdenklicher sollte uns das stimmen. Bereits 2016 fand sich auf Baltrum ein Gefleckter Schleimfisch (Parablennius gattorugine) im Seglerhafen - doch eigentlich sollte der doch genau so wie der Zwergeinsiedler Diogenes pugilator nur bis zur niederländischen Küste vorkommen...
Die Fauna des Ärmelkanals in der Nordsee:
Ebenfalls 2018 fand ich das erste Mal eine Krabbe aus dem Ärmelkanal im Beifang eines Kutters, die bisher noch nicht aus der Deutschen Bucht bekannt war. Nämlich Xaiva biguttata, eine Verwandte unseres einheimischen "Dwarslöpers" (d.h. der Strandkrabbe Carcinus maenas).
Darüber hinaus kann aber auch einige andere Faunenänderungen beobachten. Nämlich die Etablierung der Ottermuschel Lutraria lutraria vor den Ostfriesischen Inseln, das Auftreten des bis zu 20 Zentimeter langen Opalwurms Nephthys hombergii und das Auftauchen kleiner Kammmuscheln der Art Aequipecten opercularis, welche in der Irischen See sogar kommerziell befischt wird. Weiterhin sollten uns Arten wie die Streifenbarbe Mullus surmuletus zu denken geben, denn diese verweilen mittlerweile immer länger im deutschen Wattenmeer. Das heißt, dass diese wandernden Fischarten aus dem Süden inzwischen sogar bis zum Dezember von unseren Fischern als Beifang angelandet werden...
Ein weiterer Wandel vollzieht sich weitgehend unbemerkt bei den Miesmuscheln: Hier dringt die Französische Miesmuschel Mytilus galloprovincialis immer weiter nach Norden vor, wo sie sich dann mit unserer einheimischen Miesmuschel Mytilus edulis kreuzt. Daraus entstehen dann Hybride, die man kaum noch einer Art eindeutig zuordnen kann. Gleiches gilt für unsere einheimische Strandkrabbe Carcinus maenas, die sich mit der Mittelmeer-Art Carcinus aestuarii vermischt. Am Ende weiß man dann gar nicht mehr so genau, was man da eigentlich vor sich hat...

Update 2019:
Auch in diesem Jahr zeigte sich das Nordseewasser wieder von seiner warmen Seite. Bereits im April ließen sich im Norddeicher Hafen Felsengarnelen in großen adulten Scharen auffinden, dann verschwanden sie während der Hitzewelle vorübergehend und kehrten im August zahlreich und mit vielen Jungtieren zurück. Während des warmen Frühjahrs und Sommers fingen die Krabbenfischer wie auch im heißen Vorjahr 2018 kaum die sonst üblichen und typischen Beifänge wie etwa den Roten Knurrhahn oder gar Aalmuttern und Seeskorpione. Insbesondere die letzteren konnte man noch in den Jahren 2012 und 2013 manchmal gemeinsam mit Butterfischen an den Hafenpontons zwischen Algen auffinden. Dieses und letztes Jahr aber war weit und breit kein einziger juveniler Seeskorpion zu sehen.
Darüber hinaus scheinen die Bestände an Seezungen und Schollen in der südlichen Nordsee stark rückläufig zu sein. Ursachen hierfür könnten die Stromtrassen der Offshore-Windkraft-Anlagen und die Erwärmung der südlichen Nordsee sein.
Sollte in näherer Zeit der Seehundbestand abwandern oder gar zusammenbrechen wäre das ein weiteres Indiz für den Klima-GAU in der südlichen Nordsee. Die kleine Küstenfischerei könnte dann sehr rasch völlig redundant werden...   

Ich bin sehr gespannt, wie viele solcher und ähnlicher Funde hier noch auftauchen... Und wann Mutter Natur das Schadinsekt Homo "sapiens" eines warmfeuchten Tages per Meeresspiegelanstieg und Mega-Sturmflut unsanft von der Küste entfernt...   

Aktuelle Beifänge unserer Krabbenfischer aus Norddeich vom Oktober 2019:
Die Kleine Pilgermuschel Aequipecten opercularis und der Ährenfisch Atherina presbyter. Bedenklich ist, dass die Kleinen Pilgermuscheln inzwischen bereits mit Größen von etwa 30mm aufgefunden werden. Sie profitieren vom immer wärmeren Wasser in der südlichen Nordsee.
Gleiches trifft auf die etwa 100mm langen Ährenfische zu: Sie laichen im Ärmelkanal und ziehen dann Richtung Norden. Auch sie laben sich an dem üppigen Plankton, welches infolge der Erwärmung des Nordseewassers andere Vermehrungsraten als noch vor wenigen Dekaden erreichen dürfte. Solche Arten sind Indikatoren großer Änderungen, die auf unser Klima zukommen. Sie sind Vorboten eines Faunenwandels, welcher eines nicht mehr allzu fernen warmfeuchten Tages unsere kleine Küstenfischerei obsolet machen und unseren Küstenverlauf dramatisch verändern könnte.

Weitere interessante Beifänge aus dem November 2019:
Vor der Insel Norderney gingen einem Fischer mehrere kleine Seeteufel der Art Lophius piscatorius ins Netz. Sie waren teilweise nur etwa 20 Zentimeter lang und gelangten dann auf den Norder Fischmarkt, wo ich sie auffand. Selbstverständlich kommen Seeteufel auch in unseren Gewässern vor, aber dann sind sie meist erheblich größer und werden auch in entsprechenden Tiefen gefangen. Solche kleinen Exemplare werden dagegen häufig von den britischen Fischern in Südengland gefangen - und zwar im Ärmelkanal!
Wenige Tage später landete dann einer unserer norddeicher Fischer einen Drachenkopf der Art Helicolenus dactylopterus an. Eine Art, die bis dahin von unseren Fischern noch nie gefangen wurde. (Ein echtes Rätsel ist es, dass diese Tiefwasserart plötzlich in flachen Prielen auftaucht.)
Auf der anderen Seite ging fast im gleichen Zeitraum ein kleiner Seelachs der Art Pollachius virens mit ins Netz, der sich aus dem Norden zu uns veriirt zu haben scheint. Solcherlei Fänge zeichen ein schizophrenes Bild unserer Faunenentwicklung in der südlichen Nordsee. Bekommen wir etwa diesen Winter doch noch mal einen Kälteschub aus dem Norden?!   

2020, ein interessant schizophrenes Jahr für die Meeresfauna:
Eigentlich müsste sich jeder Naturfreund über die starken Einschränkungen der Krabbenfischerei wegen der Corona-Pandemie freuen. Aber: Obwohl das Wetter an Land an der niedersächsischen Küste in diesem Sommer erheblich kälter ist als 2018 und 2019, fingen die Fischer im Juni 2020 einen Stechrochen der Art Dasyatis pastinaca, der sogar zum tropischen/subtropischen Faunenkreis gehört. Und in der Ostsee verendete bei Wismar sogar ein 2,35 Meter langer Schwertfisch in einer Aalreuse... Also ist das Meer immer noch zu warm... Entwarnung kann daher leider nicht gegeben werden... Das Feuer brennt also immer noch!

Siehe:
Feuer! In der Nordsee...

Es ist wirklich erstaunlich, wie egal den meisten Menschen dieser großflächige Schwelbrand in dem kleinen Meer vor unserer Haustür ist.
Und auch den Behörden scheint das nicht besonders wichtig zu sein... Inzwischen vermute ich, dass der Meeresspiegel in den nächsten 30 Jahren um 2-3 Meter ansteigen wird, weil inzwischen sogar Gebiete in Sibirien (!) Hitzewellen bisher nicht bekannten Ausmaßes erleben. So wurde es im Juni in Jakutien (von wo wir sonst winterliche Temperaturen von bis zu 40° Minus kennen) bis 38° Celsius warm, wodurch es zu gewaltigen Waldbränden kam... Das wird sehr wahrscheinlich etliche Phänomene in der Zukunft dramatisch beschleunigen...   

Die Fauna des Mittelmeeres

Dieses Werk basiert auf dem WORLD REGISTER OF MARINE SPECIES (WORMS), welches eine internationale Plattform der Wissenschaft darstellt. Diese umfasst die derzeit gültigen wissenschaftlichen Namen und Systematiken unserer rezenten Meerestiere. Dieses Buch stellt mehr als 150 verschiedene Arten des Mittelmeeres vor, wobei die Bandbreite von bekannten Fischarten des Flachwassers bis hin zu den Tiefseearten reicht. Das Werk stellt die Arten in den Kontext ihrer wissenschaftlichen Systematik, ihrer Lebensräume, ihrer Überlebens- und Fortpflanzungsstrategien, sowie ihrer aquaristischen Haltbarkeit, sofern man lebende Exemplare erwerben kann. Viele der hier gezeigten Arten sind nicht häufig, ungewöhnlich oder sie werden in Standardwerken meist unterschlagen. Darüber hinaus runden einige Fotos von Originalhabitaten das Werk ab.
Die Fauna des Mittelmeeres gibt es sowohl als Hardcover-Ausgabe, als auch als Electronic-Book.

Siehe: Die Fauna des Mittelmeeres

Streifenbarbe, Mullus surmuletus,
ca. 120mm.
Gefangen vor Juist, September 2015.
Inzwischen ein regelmäßiger Beifang
von April bis Dezember.  

Gestreifter Schleimfisch,
Parablennius gattorugine
, ca. 100mm
Juni 2016, gefangen vor Juist.
Im Frühjahr 2020 von diversen Kuttern
gefangen; die Art hat sich offensichtlich
vor den Ostfriesischen Inseln etabliert.

Ärmelkanalkrabbe, Xaiva biguttata.
Gefangen im Sommer 2018 vor Juist.
Diese Art war bis zu diesem Datum aus
der Deutschen Bucht nicht bekannt, wohl
aber aus dem Ärmelkanal!

Zwergeinsiedler, Diogenes pugilator,
20mm. (Im Gehäuse der Wendeltreppe
Epitonium clathrum). August 2016,
Gefangen vor Juist. Die Art scheint
sich inzwischen etabliert zu haben.



Ottermuschel, Lutraria lutraria.
Gefangen im Herbst 2017 vor Norderney.
Anmerkung dazu: Ein Kutter brachte mir
mehrere lebende Exemplare mit, wie auch
schon im Jahr 2016.
Auch 2019 wurde die Art gefangen.
Man kann daraus auf das Vorhandensein
einer etablierten Population schließen.  
Die Schalengrößen von 80 bis 100 mm
lassen auf ein Alter von 8-10 Jahren schließen.

Processa canaliculata, ca. 40mm
Juli 2018, gefangen vor Juist.
Im Herbst 2018 fand ich in 10 Kilo
ungesiebten Sandgarnelen nur ein
bis zwei Exemplare dieser Garnelenart.
Im Herbst 2019 dagegen fand ich in
der gleichen Menge ein gutes Dutzend.
Auch im September 2020 war die Art
im Beifang vertreten.

 

Stielaugenkrabbe, Goneplax rhomboides.
Eine Schere dieser Krabbe (im Vordergrund) fand sich zwischen
Kaisergranaten, die im September 2020 vor der holländischen
Küste gefangen wurden. Man kannte die Art bisher nur aus dem
Mittelmeer und von den britischen Küsten; nun wurde sie offenbar
auch vor Holland gefangen...

 
 
 
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